Aktuelles

Union und SPD haben sich am 9. April 2025 auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Das Papier legt für die kommende Legislaturperiode zentrale Eckpunkte für die Energie- und Klimapolitik der schwarz-roten Koalition fest. Ein erster Überblick über die Themenfelder soll als Einordnung dienen; nach und nach werden wir für Sie die einzelnen Themenkomplexe beleuchten:
Energiepreise
Die Regierungsparteien einigen sich auf das aus den Sondierungsgesprächen bekannte Maßnahmenpaket. Die Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mittelmaß soll durch eine Sofortmaßnahme erfolgen und sämtliche Umlagen und Netzentgelte sollen für Unternehmen und Verbraucher dauerhaft gedeckelt werden, um eine Entlastung von mindestens fünf Cent pro kWh zu gewährleisten.
Energieintensive Unternehmen sollen außerdem von der Einführung eines bisher nicht näher konkretisierten Industriestrompreises profitieren. Die Gasspeicherumlage soll vollständig abgeschafft werden; die Befüllung der Speicher soll anders gesichert werden.
Netzausbau
Die Parteien betonen die Relevanz eines effizienten Netzausbaus in Abstimmung mit dem Erneuerbaren-Energien-Ausbau sowie den Smart-Meter Rollout. Übertragungs- und Verteilernetze sollen gestärkt und Effizienzpotenziale sollen u.a. durch die Digitalisierung der Netze gehoben werden. Einen konkreten Zeitplan enthält der Koalitionsvertrag aber noch nicht.
Deutschland besteht aktuell aus einer einheitlichen Stromgebotszone. Während ein Großteil des Stroms im Norden des Landes erzeugt wird, ist der Verbrauch bei Industrie im Süden besonders hoch. Zur Bedarfsdeckung kommen bei Netzengpässen zwischen Nord- und Süddeutschland oft teure Gaskraftwerke zum Einsatz. Die dabei entstehenden Redispatch-Kosten in Milliardenhöhe werden insbesondere auf Verbraucher umgelegt. Diskutiert wurde deshalb eine Teilung des Landes in zwei Stromgebotszonen. Jetzt haben sich die Parteien vorerst darauf geeinigt, dass an einer einheitlichen Zone festgehalten werden soll.
Die Union setzt sich außerdem bei neu zu planenden Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsnetzen (HGÜ) durch. Diese sollen nicht als Erdkabel, sondern als Freileitungen umgesetzt werden.
Der in den Verhandlungen bis zuletzt offene Punkt der Gasnetzstilllegung wird nicht im Detail angesprochen. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass lediglich die für eine sichere Wärmeversorgung notwendigen Gasnetze erhalten bleiben sollen.
Erneuerbare Energien und Speicherausbau
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien wird fortgesetzt. Solarenergie, Windkraft und Bioenergie sollen systemdienlich ausgebaut werden. Solarenergieanlagen sollen verstärkt mit Speichern gekoppelt und Doppel- und Mehrfachnutzungen, wie etwa Agri-Photovoltaik oder Anlagen auf Parkplätzen, gefördert werden. Bei Windkraft sollen Zwischenziele bis 2027 gehalten und Flächenziele bis 2032 evaluiert werden. Besonderes Augenmerk liegt auf der Synchronisierung mit dem Netzausbau und der kommunalen Akzeptanz. Die Bioenergie soll ihr Flexibilitätspotenzial ausschöpfen, insbesondere bei der Nutzung von Reststoffen. Erneuerbare Energien sollen sich dabei perspektivisch vollständig am Markt refinanzieren lassen, weshalb der Vertrag sich für die Schaffung eines gesicherten Investitionsrahmens bei zugleich verstärkter Einbindung marktwirtschaftlicher Instrumente ausspricht.
Der Koalitionsvertrag spricht sich zudem für eine Flexibilisierung des Strommarkts durch den Speicherausbau aus. Der Speicherausbau soll systemdienlich ausgestaltet werden und es sollen Rechenzentren, Speicher sowie große Erzeuger erneuerbarer Energien netzdienlich angesiedelt werden.
GEG und kommunale Wärmeplanung
Das Heizungsgesetz bzw. das GEG soll laut dem Koalitionsvertrag abgeschafft werden. Das neue Gebäudeenergiegesetz soll technologieoffener, flexibler und einfacher werden. Die erreichbare CO2-Vermeidung soll die Steuerungsgröße werden.
Die Parteien wollen außerdem die Verzahnung von GEG und kommunaler Wärmeplanung vereinfachen. Hierzu möchten sie Spielräume bei der Umsetzung der europäischen Gebäuderichtlinie ausschöpfen. Die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) soll gesetzlich geregelt und aufgestockt werden. Die AVB-Fernwärme-Verordnung und die Wärmelieferverordnung sollen zügig überarbeitet und modernisiert werden. Es soll für den Bereich Wärme zudem eine unbürokratische Schlichtungsstelle eingerichtet werden.
Wasserstoff
Der Aufbau einer nationalen Wasserstoffwirtschaft soll schnellstmöglich vorangetrieben werden. Die Regierung plant, Wasserstoff dezentral und systemdienlich zu produzieren und den Ausbau von Importinfrastrukturen konsequent voranzutreiben. Überregulierung soll abgebaut und die Finanzierung von Wasserstoffnetzen gesichert werden, um Deutschland eine führende Rolle innerhalb einer europäischen Wasserstoffinitiative zu sichern. Der Ausbau der Wasserstoffkernnetze soll dabei auch im bei der bisherigen Planung weniger berücksichtigten Osten und Süden Deutschlands vorangetrieben werden.
Kernenergie und Kohle
Die künftige Regierung hält am geplanten Kohleausstieg bis 2038 fest. Die von der Union in den Sondierungsgesprächen erwogene Prüfung, ob eine Wiederaufnahme des Betriebs der abgeschalteten Kernkraftwerke technisch und finanziell vertretbar ist, findet sich im Koalitionsvertrag nicht wieder. Den Zeitplan für den Kohleausstieg sieht der Koalitionsvertrag in Abhängigkeit von der Ausbaugeschwindigkeit steuerbarer Gaskraftwerke.
Kraftwerksstrategie
Bis 2030 sollen bis zu 20 GW neue Gaskraftwerke gebaut werden. Diese Kraftwerke sollen nicht nur Versorgungssicherheit gewährleisten, sondern auch Stromkosten reduzieren und verstärkt bestehende Kraftwerksstandorte nutzen. Dabei sollen die Gaskraftwerke regional nach Bedarfen gesteuert werden. Zudem soll nach dem Willen von Union und SPD ein Technologiemix aus Kraftwerken, Erzeugungsanlagen (Bioenergie und KWK-Anlagen) und Speichern entstehen, um für ausreichend flexible Energiekapazitäten zu sorgen.
Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung
Die Parteien erkennen die Relevanz schnellerer Genehmigungsverfahren für die Energiewende. Hierzu zählen neben der Fortführung des Bund-Länder-Prozesses zur Planungs-, Umsetzungs-, und Genehmigungsbeschleunigung eine zügige Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie III, Vereinfachungen bei Artenschutzprüfungen und die verstärkte Nutzung von sog. Expertenpools.
Ausblick
Der Koalitionsvertrag adressiert alle wichtigen Themenfelder und sieht zahlreiche Maßnahmen vor. Es liegt in dem Ressort Energie viel Arbeit vor der neuen Regierung. Wie sehr die angekündigten Maßnahmen wirken werden, hängt stark von der konkreten Ausgestaltung der Gesetze in den kommenden Monaten ab. Vorerst laufen noch die finalen Abstimmungen zur Regierungsbildung.
Weitere Meldungen
Am 25. März trat der neue Bundestag in einer konstituierenden Sitzung erstmalig zusammen. Seine Arbeit wird er aller Voraussicht nach in der zweiten Aprilwoche aufnehmen. In den Sondierungsgesprächen hat sich die Arbeitsgruppe Klima und Energie bereits auf zahlreiche Positionen einigen können, während bei einigen zentralen Themen noch Klärungsbedarf besteht. Im Fokus stehen Entlastungen für Verbraucher und Wirtschaft, der Ausbau erneuerbarer Energien sowie die Modernisierung der Energieinfrastruktur.
Energiepreise
Union und SPD streben eine dauerhafte Entlastung von Unternehmen und Verbrauchern an. Die Parteien einigten sich auf die Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mittelmaß. Außerdem sollen Umlagen und Netzentgelte dauerhaft gedeckelt werden. Das Maßnahmenpaket soll den Strompreis um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde (kWh) senken. Energieintensive Unternehmen sollen außerdem von der Einführung eines bisher nicht näher konkretisierten Industriestrompreises profitieren.
Auch die Gasspeicherumlage soll für alle abgeschafft werden. Diese liegt derzeit bei rund 0,3 Cent pro kWh Gas. Zudem sollen geeignete Instrumente für eine versorgungssichere und kostengünstigere Befüllung der Gasspeicher eingeführt werden.
Netzausbau
Der kosteneffiziente Netzausbau hat für die Parteien Priorität.
Dabei soll der Ausbau mit dem Erneuerbaren-Ausbau synchronisiert und einem regelmäßigen Monitoring unterzogen werden. Der Smart-Meter-Rollout im Verteilnetz soll beschleunigt und vereinfacht werden. Keine Einigung konnte bisher bezüglich der Stromgebotszonen erzielt werden. Deutschland besteht aktuell aus einer Stromgebotszone. Während ein Großteil des Stroms im Norden des Landes erzeugt wird, ist der Verbrauch bei Industrie im Süden besonders hoch. Zur Bedarfsdeckung kommen hier oft teure Gaskraftwerke zum Einsatz. Die dabei entstehenden Redispatch-Kosten in Milliardenhöhe werden insbesondere auf Verbraucher umgelegt. Diskutiert wird eine Teilung Deutschlands in zwei Gebotszonen. Die SPD steht einer solchen Überprüfung offen gegenüber, die Union lehnt sie jedoch ab. Noch im Frühjahr wird ein Bericht von ENTSO-E zur Gebotszonenüberprüfung erwartet.
Umstritten ist auch die Frage der Erdverkabelung bei den künftigen HGÜ-Übertragungsnetzen (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertagung). Während die SPD am Vorrang für Erdkabel festhalten möchte, bevorzugt die Union wo möglich den Einsatz von Freileitungen.
Keine Einigung konnte bei der Gasnetz-Stilllegung erreicht werden. Die Union möchte die Netze erhalten. Die SPD hingegen hält nur eine Erhaltung der für eine sichere Wärmeversorgung notwendigen Gasnetze für erforderlich. Die Übrigen sollen stillgelegt werden können.
Beim Netzausbau sollen künftig die bessere Verknüpfung zwischen den europäischen Ländern berücksichtigt werden. Die Parteien befürworten die Schaffung einer echten Energieunion zur Entwicklung und Genehmigung gemeinsamer, grenzüberschreitender Energienetze (Strom und Wasserstoff).
Gaskraftwerke
Bis 2030 ist der Bau einer Gaskraftwerksleistung von bis zu 20 GW Leistung geplant. Sie sollen nicht nur zur Stabilisierung der Spannung, sondern auch zur Reduzierung der Stromkosten eingesetzt werden.
Gebäudeenergiegesetz
Uneinig sind sich die Parteien über die Zukunft des umstrittenen „Heizungsgesetzes“. Die im Wahlkampf von der Union versprochene vollständige Abschaffung findet auch innerparteilich wenige Unterstützer. Denkbar erscheint allerdings eine Überarbeitung unter anderem zur Abschaffung von Bürokratie.
Ausstieg aus Kohle- und Atomstrom
Am geplanten Kohleausstieg bis 2038 möchte die künftige Regierung festhalten. Wann die verbleibenden Kraftwerke stillgelegt werden, soll vom Ausbau der Gaskraftwerke abhängen. Anders als nach ersten Sondierungsgesprächen wird nun in den Papieren auch die Kernenergie erwähnt. Mit Hinweis auf die Klimaziele und die Versorgungssicherheit möchte die Union prüfen, ob eine Wiederaufnahme des Betriebs der abgeschalteten Kernkraftwerke technisch und finanziell vertretbar ist.
CO2-Speicherung und Wasserstoffstrategie
Ein "umgehend" zu beschließendes Gesetzespaket soll CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) ermöglichen – strittig bleibt dessen Anwendungsbereich. Die Union befürwortet eine breite Nutzung für alle Industriebranchen und Gaskraftwerke, die SPD will die Technologie auf schwer vermeidbare Emissionen beschränken. Beim Wasserstoff streben beide Parteien einen schnellen Hochlauf an, wollen "Überregulierung" abbauen und das Wasserstoffkernnetz deutschlandweit ausbauen, wobei Deutschland eine "führende Rolle" in der europäischen Wasserstoffinitiative einnehmen soll.
Klimaschutz – Emissionsreduktion
Die Parteien bekennen sich ausdrücklich zum Pariser Klimaabkommen und zur Klimaneutralität bis 2045. Die SPD unterstützt zusätzlich den bisher noch nicht verabschiedeten europäischen Vorschlag einer Reduktion der Treibhausemissionen bis 2040 um 90 %.
Dabei setzen beide Parteien auf eine Stärkung des europäischen CO2-Emissionshandels. Ab 2027 soll der europäische Handel in das europäische System ETS-2 integriert werden. Eine starke Verteuerung für besonders betroffene Unternehmen und Bürger soll durch Zahlung aus dem europäischen Klimasozialfonds vermieden werden.
Die Union möchte künftig die Anerkennung von CO2-Zertifikaten für Aufforstungen oder Moorwiedervernässungen im europäischen System ETS -1 durchsetzen. Außerdem fordert sie die Möglichkeit Emissionen nach 2038 durch Handel mit ausländischen Zertifikaten ausgleichen zu können. Die SPD lehnt das ab.
Ausblick
Die Koalitionsparteien sind sich bei der Ausrichtung der künftigen Energie- und Klimapolitik weitgehend einig. Nun ist es bei der Fortsetzung der Koalitionsgespräche in der kommenden Woche Aufgabe des Führungspersonals, bei den verbliebenen Streitpunkten eine Einigung zu erzielen.
Die deutsche Energiewirtschaft steht vor einem bedeutenden Wendepunkt. Der Bruch der Ampelkoalition hatte zu einer Hängepartie geführt. Mit der sich formierenden Koalition aus CDU/CSU und SPD könnten nun wichtige energiepolitische Weichen gestellt werden. Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche vom 8. März 2025 greifen einige wichtige Themen auf:
Entlastungen bei Energiekosten
In den Sondierungsgesprächen haben die Parteien konkrete Maßnahmen zur Senkung der Energiekosten besprochen: Für alle Kunden soll die Stromsteuer um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde reduziert und die Übertragungsnetzentgelte halbiert werden. Perspektivisch sollen die Übertragungsnetzentgelte dauerhaft gedeckelt werden. Die Parteien streben eine Ausweitung der Regelungen der Strompreiskompensation auf weitere energieintensive Branchen an und wollen die Kompensation insgesamt verlängern. Aus der Sicht der energieintensiven Branchen sind das gute Nachrichten, wenngleich die Maßnahme voraussichtlich noch von der EU-Kommission beihilferechtlich geprüft und genehmigt werden müsste.
Kraftwerksstrategie und Versorgungssicherheit
Ein zentrales Element der künftigen Energiepolitik wird eine neue Kraftwerksstrategie sein. Bis 2030 ist der Zubau von Gaskraftwerken mit einer Leistung von bis zu 20 GW geplant. Vorrangig sollen bestehende Standorte genutzt werden. Damit der Zeitpunkt für den Kohleausstieg nicht gefährdet ist, müsste die Bundesnetzagentur zügig mit der Ausschreibung beginnen können. Bemerkenswert ist, dass Reservekraftwerke künftig nicht nur bei drohenden Versorgungsengpässen zum Einsatz kommen, sondern auch zur Stabilisierung der Strompreise beitragen sollen.
Klimaziele und Innovationen
Trotz der geopolitischen Herausforderungen - insbesondere in den Beziehungen zu den USA unter einer zweiten Trump-Administration - bekennen sich Union und SPD ausdrücklich zu den Klimazielen. Die kürzlich in Kraft getretene Novelle des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG) unterstreicht dieses Bekenntnis mit dem Ziel, die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55% gegenüber 1990 zu senken. Direkt zu Beginn der Wahlperiode soll ein Gesetzespaket beschlossen werden, das die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS) ermöglicht. Zudem soll das Wasserstoffkernnetz bundesweit ausgebaut werden, um auch industrielle Zentren im Süden und Osten anzubinden. Gleichzeitig bekennen sich die Parteien zum notwendigen Stromnetzausbau.
Keine Äußerung zu Atomenergie, GEG und Wärme
Bemerkenswert ist auch, was im Sondierungspapier nicht thematisiert wird: Die im Wahlkampf geforderte Reaktivierung der zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke sowie die Abschaffung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) werden nicht erwähnt. Hier mögen die Parteien Verbesserungspotenzial sehen, eine 180°-Wende ist nicht zu erwarten. Auch für den Bereich der Wärme stehen keine grundsätzlichen Änderungen an; insbesondere ist offenbar bislang keine Fernwärmepreisaufsicht vorgesehen, wie sie zwischenzeitlich gefordert worden war.
Die geplanten Maßnahmen könnten ein wichtiger Schritt sein, um Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und gleichzeitig die Energiewende voranzutreiben. In den nun beginnenden Koalitionsgesprächen wird sich zeigen, wie die künftige Regierung die Umsetzung im Einzelnen plant und ob sie die – politischen und rechtlichen – Schwierigkeiten aus dem Weg räumen kann.
Am 25.02.2025 ist das „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen“ als eines der letzten Gesetzgebungsvorhaben der scheidenden Bundesregierung in Kraft getreten (BGBl. I 2025 Nr. 51). Zur Umsetzung der Vorgaben der novellierten Strombinnenmarktrichtlinie ist nach Maßgabe von § 17 Abs. 2b EnWG n.F. bzw. § 8a EEG 2023 n.F. nunmehr der Abschluss sog. flexibler Netzanschlussvereinbarungen möglich.
- Der Sache nach betreffen flexible Netzanschlussvereinbarungen Fälle des Netzanschlusses, in denen an einem Netzverknüpfungspunkt die Netzanschlussleistung konstant oder zeitweise unterhalb der installierten Leistung der jeweils errichteten Erzeugungs-, Verbrauchs- oder Speicheranlage liegt. Mit anderen Worten besteht nunmehr die grundsätzliche Möglichkeit, Netzverknüpfungspunkte zu „überbauen“.
- Für die Umsetzung müssen der Anschlussnehmer bzw. Anlagenbetreiber mit dem jeweils zuständigen Anschlussnetzbetreiber eine sog. flexible Netzanschlussvereinbarung treffen.
- Der Inhalt von derartigen Vereinbarungen ist unter Beachtung der gesetzlichen Mindestvorgaben in § 17 Abs. 2b S. 3 EnWG bzw. § 8a Abs. 2 EEG 2023 grundsätzlich bilateral zwischen Netzbetreiber und Netzanschlusspetent vor der endgültigen Zusage des Netzanschlusses festzulegen. Vorgaben der Bundesnetzagentur gibt es hierzu bislang nicht.
- Die Leistungsbegrenzung kann auf einzelne Zeitfenster beschränkt werden und in ihrer Höhe je Zeitfenster variieren. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen insoweit statische, dynamische und volldynamische Begrenzungen der Netzanschlussleistung möglich sein (BT-Drs. 20/14235, 57 und 71 f.).
- Im Anwendungsbereich von § 8a EEG 2023 besteht nunmehr auch die Möglichkeit zum sog. „cable pooling“. Hierunter sind Fälle zu verstehen, in denen an ein und demselben Netzverknüpfungspunkt unterschiedliche Anlagen ggf. auch unterschiedlicher Anlagenbetreiber zeitgleich angeschlossen sind. Praktisch bedeutsam ist diese Möglichkeit insbesondere für den Anschluss von Solar- und Windenergieanlagen, da diese EE-Anlagen grundsätzlich ein stark komplementäres Einspeiseverhalten haben. So soll bei gleichzeitiger Nutzung eines bestehenden Netzverknüpfungspunkts durch Solar- und Windenergieanlagen in Fällen der Überbauung um 150 % der Stromüberschuss bei unter 1 % liegen.
- Grundsätzlich dürfte aber sowohl für den jeweiligen Netzbetreiber als auch für den Anschlussnutzer bzw. Anlagenbetreiber keine Pflicht zum Angebot bzw. Abschluss einer flexiblen Netzanschlussvereinbarung bestehen. In den Fällen des § 8a Abs. 3 EEG 2023 muss der Netzbetreiber die Möglichkeit des Abschlusses einer flexiblen Netzanschlussvereinbarung aber proaktiv prüfen und dem Anlagenbetreiber das Ergebnis mitteilen.
- Ergänzende Folgeänderungen betreffend den Abschluss flexibler Netzanschlussvereinbarungen finden sich insbesondere in § 17 Abs. 4 EnWG sowie in den §§ 8 Abs. 2, 11 Abs. 1 S. 3 EEG 2023.
Mit den Vorschriften zum Abschluss flexibler Netzanschlussvereinbarungen erweitert der Gesetzgeber in Zeiten knapper Netzanschlusskapazitäten die regulatorischen Möglichkeiten zur Realisierung von Netzanschlüssen – auch bereits vor Abschluss des der Energiewende hinterherhinkenden Netzausbaus. Besonders profitieren könnten Vorhaben aus dem Bereich der erneuerbaren Energien sowie zum Einsatz von Stromspeichern. Aufgrund der Art der einfachgesetzlichen Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben bleibt es im Wesentlichen aber den beteiligten Marktakteuren – allen voran den Anschlussnetzbetreibern – überlassen, flexible Netzanschlussvereinbarungen zu einem praxistauglichen Instrument werden zu lassen.
Wertschöpfungskette
Neben der Monopolkommission hat sich das Bundeskartellamt seit Juli 2020 in einer Sektoruntersuchung mit der Bereitstellung und Vermarktung öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge beschäftigt. Im Oktober 2024 hat es seinen Abschlussbericht vorgelegt. Es hat auf allen untersuchten Marktstufen potentielle Wettbewerbsdefizite identifiziert.
Das Bundeskartellamt grenzt u.a. Flächenmärkte, Infrastrukturmärkte und Ladestrommärkte ab.
Flächenmarkt
- Auf dem Flächenmarkt stehen die Gebietskörperschaften sowie private Flächeninhaber als Anbieter von Flächen den Entwicklern von Ladesäulen als Nachfrager geeigneter Flächen gegenüber.
- Ob private und öffentliche Flächen einem einheitlichen sachlich relevanten Markt zuzurechnen sind, lässt das Bundeskartellamt offen. Obwohl empirisch die meisten CPOs Ladesäulen sowohl auf privaten als auch auf öffentlichen Flächen errichtet haben, lasse dies keinen Schluss zu, dass die Flächen dem gleichen sachlichen Markt angehörten.
- Die Märkte für Flächen zur Errichtung öffentlich zugänglicher Normalladeinfrastruktur (bis zu einer Ladeleistung von 22 kW) grenzt das Bundeskartellamt lokal ab, Flächen entlang der Autobahnen streckenbezogen. Bei der räumlichen Marktabgrenzung orientiert sich das Bundeskartellamt am Nachfrageverhalten der E-Fahrzeugnutzer auf dem nachgelagerten Infrastrukturmarkt.
- Das Bundeskartellamt bewertet die Einräumung von Nutzungsrechten an öffentlichen Flächen durch Gebietskörperschaften als wirtschaftliche Tätigkeit, die in den Anwendungsbereich des Kartellrechts fällt.
- Häufig wird mangels ausreichend alternativer privater Flächen die Gebietskörperschaft über eine marktbeherrschende Stellung bei der Einräumung von Nutzungsrechten verfügen. Sie ist dann an die kartellrechtlichen Missbrauchsverbote gebunden und darf andere Unternehmen nicht behindern, diskriminieren oder ausbeuten. Darüber hinaus gilt das Kartellverbot für die vertragliche Flächenüberlassung (kritisch zu bewerten daher Ausschließlichkeitsvereinbarungen / räumliche Wettbewerbsverbote zugunsten eines Ladesäulenentwicklers) sowie für den Informationsaustausch im Rahmen der Flächenvergabe.
Infrastrukturmarkt (CPO-Markt)
- Der dem Flächenmarkt nachgelagerte Infrastrukturmarkt (CPO- / Ladesäulenmarkt) betrifft den Anschluss an und die physische Nutzungsmöglichkeit von Ladesäulen.
- Nach Auffassung des Bundeskartellamts stehen dem Ladesäulenbetreiber zwei Kundengruppen gegenüber:
- (1) E-Fahrzeugnutzer, die physischen Zugang zur Ladesäule begehren;
- (2) EMP, die Zugang zur Ladesäuleninfrastruktur begehren, um auf dem nachgelagerten Ladestrommarkt ihre Kunden an der konkreten Ladesäule mit Ladestrom versorgen zu können.
- Das Bundeskartellamt grenzt unterschiedliche sachliche Infrastrukturmärkte nach Ladegeschwindigkeit ab, wobei wiederum zwischen Normalladeinfrastruktur (bis zu einer Ladeleistung von 22 kW) und Schnellladeinfrastruktur differenziert wird.
- Vor dem Hintergrund der vertikalen Integration vieler CPO kann die Einräumung von Zugang zur Ladesäule gegen Abnahme teuren Ladestroms eine Preis-Kosten-Schere (margin squeeze) und damit einen Behinderungsmissbrauch i.S.d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB begründen, insbesondere dann, wenn der CPO vom zugangsberechtigten EMP höhere Preise für Ladestrom verlangt, als der CPO sie selbst von seinen Ladestromkunden verlangt (negative Preis-Kosten-Schere). Doch selbst wenn dem zugangsberechtigten EMP eine minimale Marge verbleiben sollte und nicht bereits eine negative Preis-Kosten-Schere vorliegt, kann die Marge zu niedrig sein, um die Kosten der Vertriebsleistung des EMP zu decken. Auch eine solche positive Preis-Kosten-Schere kann marktmachtmissbräuchlich sein.
- Über das missbrauchsrechtliche Diskriminierungsverbot ist allen nachfragenden EMP diskriminierungsfrei Zugang zur Ladesäule zu gewähren. „Das bedeutet nicht, dass allen Zugang zu identischen Bedingungen gewährt werden muss. Vielmehr bedürfen Unterschiede in den Konditionen einer sachlichen Rechtfertigung.“
Ladestrommärkte
- Auf den Ladestrommärkten stehen die Anbieter von Ladestrom untereinander im Wettbewerb. Dies sind zunächst der CPO mit seinem Ad hoc-Ladeangebot sowie darüber hinaus ggf. ein oder mehrere EMP, denen der CPO Zugang zur Ladesäule eingeräumt hat. Auch wenn zahlreiche EMPs Zugang zur betreffenden Ladesäule haben, wird sich das wettbewerbliche Angebot für den E-Fahrzeugnutzer in der Regel beschränkter darstellen und auf die Auswahl zwischen dem Ad hoc-Ladetarif und dem Tarif des oder der EMPs beschränken, deren Ladekarten er vorhält.
- Laut Bundeskartellamt betrafen Beschwerden im Rahmen der Sektoruntersuchung zu hohe Ladetarife, einschließlich Preiserhöhungen und der Abschaffung kostenloser Ladeangebote, sowie intransparente oder unübersichtliche Ladebedingungen. Das Bundeskartellamt beobachtet erhebliche Preisunterschiede auch bei vergleichbarer Ladeleistung, die mehr als 100 % zwischen den 10 % günstigsten und 10 % teuersten Ladeentgelten pro kWh betragen. Allerdings folge aus solch erheblichen Preisunterschieden nicht automatisch ein Verdacht auf einen Preishöhenmissbrauch. Vielmehr könnten sie auch auf Kostenunterschiede in der Bereitstellung und dem Betrieb der Ladeinfrastruktur zurückzuführen sein. Außerdem könnten erhebliche Preisunterschiede in einer frühen Marktphase gerade auch Zeichen für funktionierenden Wettbewerb sein, wenn sich noch kein wettbewerblicher Marktpreis herausgebildet hat und die Kosten der Infrastruktur wegen der geringen Auslastung noch nicht gedeckt werden können.
Die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts zeigt, dass die im Entstehen befindlichen Märkte rund um die E-Mobilität zahlreiche kartellrechtliche Fragen aufwerfen. Für Unternehmen und auch für Gebietskörperschaften und Stadtwerke gilt es dabei, sowohl kartellrechtliche Risiken zu erkennen und zu minimieren als auch kartellrechtliche Chancen klug zu nutzen.
Trotz Bruchs der Ampelkoalition legte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) am 28. November 2024 einen überarbeiteten Referentenentwurf der Verordnung zur Änderung der AVBFernwärmeV und zur Aufhebung der FFVAV vor. Er berücksichtigt die Änderungen, zu denen sich das BMWK nach der Länder- und Verbändeanhörung des Referentenentwurfs vom 25. Juli 2024 veranlasst sah.
Überblick
Gegenüber der Entwurfsfassung aus Juli 2024 wird die Privilegierung von Kleinstnetzen beschnitten. Als „Kleinstnetze“ sollen künftig nur noch solche Netze gelten, die eine thermische Gesamtnennleistung von weniger als 5 MW aufweisen und – also kumulativ statt bisher alternativ – nicht mehr als 100 Hausanschlüsse versorgen.
Auch die ohnehin problematische Regelung zur Anpassung der Wärmeleistung in § 3 AVBFernwärmeV-E wurde im Vergleich zum Entwurf vom 25. Juli 2024 verschärft. Gestrichen wurde die ursprünglich vorgesehene Entschädigungsregelung. Außerdem soll dem Kunden eine außerordentliche Kündigung künftig grundsätzlich selbst dann ermöglicht werden, wenn die (bestehende) Wärmeversorgung über ein im Sinne des Wärmeplanungsgesetzes bereits ertüchtigtes Netz erfolgt, ein ökologischer Mehrwert also nicht vorhanden ist.
Baukostenzuschüsse sollen künftig nur noch bezogen auf 50% der bei wirtschaftlicher Betriebsführung notwendigen Kosten für die Erstellung oder Verstärkung von der örtlichen Versorgung dienenden Verteilungsanlagen erhoben werden dürfen. Nach dem Referentenentwurf vom 25. Juli 2024 sollte es noch bei der (auch derzeit geltenden) 70%-Regelung bleiben.
Im Wesentlichen unverändert aus dem Sommerentwurf übernommen wurden die gegenüber der aktuellen Fassung der AVBFernwärmeV verschärften Veröffentlichungspflichten und die Vorgaben zur Ausgestaltung von Preisänderungsklauseln. Nach wie vor soll also gelten, dass die verordnungsrechtlichen Vorgaben an die angemessene Ausgestaltung von Preisänderungsklauseln erfüllt sind, wenn Kosten- und Marktelement gleichgewichtet sind und zur Abbildung des Marktelements der Wärmepreisindex herangezogen wurde.
Ersatzlos gestrichen wurde § 24a AVBFernwärmeV-E. Er hatte zugunsten der Versorger ein einseitiges Änderungsrecht hinsichtlich der vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklausel in Fällen eines Energieträgerwechsels oder der Änderung der Beschaffungsstruktur vorgesehen.
Ebenfalls gestrichen wurde zwar die in § 32 Abs. 1 S. 1 AVBFernwärmeV-E enthaltene Laufzeitbeschränkung auf fünf Jahre für nicht neu hergestellte Hausanschlüsse oder für Fälle fehlender Erhöhung der vereinbarten Fernwärmeleistung. Nun ist vorgesehen, dass – wie bislang auch – die Laufzeit zehn Jahre beträgt und eine Verlängerung um jeweils fünf Jahre als stillschweigend vereinbart gilt. Eine Ausnahme ist allerdings für Verbraucher vorgesehen, bei denen die stillschweigende Verlängerung des Vertrags zwei Jahre nicht übersteigen darf und vom Lieferanten unter Hinweis auf das Kündigungsrecht ein Jahr im Voraus angekündigt werden muss.
Bewertung und Ausblick
Aus Sicht der Wärmeversorgungsunternehmen muss der nun vorliegende Entwurf als Rückschritt betrachtet werden. Er gewährt noch weniger Investitionssicherheit als der ursprüngliche Ansatz. Das wiederum gefährdet den Erfolg der Wärmewende, die ganz maßgeblich auf (investitionsintensiven) dekarbonisierten und ausgebauten Wärmenetzen beruht.
Das weitere Schicksal dieses (überarbeiteten) Referentenentwurfs ist jedoch alles andere als sicher. Zwar bedürfte die Verabschiedung keiner Beschlussfassung im Bundestag; erforderlich ist aber die Zustimmung des Bundesrates.
Im November 2024 hat die BNetzA seit langer Zeit wieder mal ein Positionspapier veröffentlicht, das sich mit der Erhebung sog. Baukostenzuschüsse (BKZ) beim Netzanschluss beschäftigt. Dieses Mal stammt das Positionspapier aus der Feder der Beschlusskammer 8. Das letzte Positionspapier der Beschlusskammer 6 dazu war im Jahr 2009 veröffentlicht worden. In weiten Teilen bestätigt die Beschlusskammer 8 den dort vertreten Ansatz und nimmt auch ausdrücklich das Positionspapier zu vertraglichen Regelungen des Netzanschlusses aus dem Jahr 2008 in Bezug.
Die Beschlusskammer 8 betont, dass der Baukostenzuschuss eine Finanzierungsfunktion habe und daher von einem wirtschaftlich effizienten Netzbetreiber in einem angemessenen Umfang auch erhoben werden müsse. Damit bezieht die Behörde eine neue Position, die aufhorchen lässt und für Netzbetreiber von erheblicher regulatorischer Bedeutung ist: Netzbetreiber, die keinen BKZ erheben, verhalten sich ineffizient, da sie diese Finanzquelle nicht ausschöpfen. Allerdings räumt die Behörde den Netzbetreibern insoweit eine „Übergangsphase“ ein.
In der Sache bestätigt die Beschlusskammer 8 die Berechnung nach dem Leistungspreismodell, allerdings in einer „geglätteten“ Variante. Ausgangspunkt ist die Anschlussleistung, die in aller Regel dauerhaft und uneingeschränkt vereinbart ist. Wenn dies nicht der Fall ist, hält sie eine entsprechende Reduzierung des BKZ für möglich. Grundsätzlich soll in einem Netzgebiet für Netzanschlüsse gleicher Art und Güte nicht hinsichtlich des BKZ differenziert werden. Differenzierungen in einem Netzgebiet sind aber im Übertragungsnetz möglich. Das Positionspapier erlaubt den ÜNB, bei der Höhe des BKZ danach zu differenzieren, wie sich der jeweilige Netzanschluss auf die Netzkosten auswirkt. Das Papier sieht ein fünfstufiges System vor, bei dem der BKZ abhängig davon ist, ob ein Netzanschluss Redispatchmaßnahmen erforderlich macht oder nicht. Verteilernetzbetreiber dürfen eine solche Differenzierung nicht vornehmen.
Die Art der angeschlossenen Last ist nach der Auffassung der Beschlusskammer 8 weiterhin unerheblich, abzustellen sei auf den Leistungsbezug an sich. Damit hält die Beschlusskammer 8 bis auf weiteres auch an ihrer Auffassung zu netzgekoppelten Batteriespeichern fest. Bislang müssen ihre Betreiber wie „normale“ Strombezugskunden für den Anschluss oberhalb der Niederspannungsebene einen sog. BKZ an den Netzbetreiber leisten. Das OLG Düsseldorf hat in einem Beschwerdeverfahren zwar festgestellt, dass der BKZ zumindest für netzgekoppelte Stromspeicher nicht nach dem Leistungspreismodell berechnet werden dürfe und die BNetzA verpflichtet, über den Missbrauchsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Das Rechtsbeschwerdeverfahren (EnVR 1/24), auf das die BNetzA in ihrem Positionspapier auch verweist, ist aber noch nicht abgeschlossen, so dass die Entscheidung des OLG Düsseldorf nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Wie ein BKZ bei dem Anschluss von Stromspeichern zu gestalten sein könnte, hat das OLG Düsseldorf offen gelassen. Die Behörde äußert sich dazu auch noch nicht, sondern möchte den Ausgang des Rechtsbeschwerdeverfahrens abwarten.
Zwar versteht die Behörde selbst ihre Leitfäden und Positionspapiere vor allem als Auslegungshilfen, mit denen sie zu einer einheitlichen Rechtsanwendung beitragen will. Anders als Festlegungen sind sie nicht mit der Beschwerde unmittelbar angreifbar. Allerdings entfalten Aussagen in Positionspapieren jedoch teils erhebliche faktische Wirkungen (s. König, N&R 2015, S. 132). Es ist davon auszugehen, dass BNetzA und Netzbetreiber ihr Handeln an dem Positionspapier ausrichten werden.
Kein besinnlicher Advent in der Energiewirtschaft: Aktuell überschlagen sich die Ereignisse. Nicht nur die Politik hält die Branche in Atem, auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in der letzten Woche im Jahresendspurt noch eine Entscheidung getroffen, die für die deutsche Energiewirtschaft erhebliche Konsequenzen hat.
Der EuGH hat sich in einer Entscheidung vom 28.11.2024 mit der Kundenanlage i.S.d. § 3 Nr. 24a EnWG befasst. Konkret ging es um die ihm vom Bundesgerichtshof vorgelegte Frage, ob eine Energieanlage, in der aus einem Blockheizkraftwerk Strom erzeugt wird und dieser Strom zur Versorgung mehrere Wohnblöcke genutzt wird, von den regulatorischen Vorschriften für Verteilernetzbetreiber befreit werden darf.
Der EuGH entschied, dass die Kundenanlage nicht von der Anwendbarkeit der regulatorischen Vorschriften für Verteilernetzbetreiber befreit werden darf. Die Entscheidungsgründe lesen sich so, als wolle der EuGH dem Konstrukt einer Kundenanlage eine gänzliche Absage erteilen. Damit wären in Deutschland zigtausend Netzanschluss- und Lieferkonstellationen in dezentralen Erzeugungs- und Verbrauchskonstellationen betroffen – und damit auch das Rückgrat der deutschen Energiewende.
A. Aus den Gründen
Zunächst prüft der Gerichtshof, ob die streitgegenständliche Anlage unter den Begriff „Verteilernetz“ im Sinne der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie 2019/944 zu subsumieren ist. Dies sei allein daran zu messen, ob die Anlage der Weiterleitung von Elektrizität mit Hoch-, Mittel- oder Niederspannung dient, die zum Verkauf an Kunden bestimmt ist. Der EuGH bejaht diese Frage und stuft die in Rede stehende Anlage als „Verteilernetz“ ein.
Sodann prüft er, ob ein Unternehmen, das ein „Verteilernetz“ betreibt, vom Begriff „Verteilernetzbetreiber“ ausgenommen werden kann. Dies wird ebenfalls verneint. Wenn Mitgliedsstaaten nicht berechtigt sind, Anlagen vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszunehmen, die als Verteilernetz iSd. Richtlinie einzustufen sind, so sind sie erst recht nicht berechtigt, eine juristische Person vom Begriff „Verteilernetzbetreiber“ im Sinne der Richtlinie 2019/944 auszunehmen. Anderes gilt nur, wenn die Voraussetzungen von in der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie 2019/944 selbst vorgesehenen Ausnahmen vorliegen. Das betreffe Bürgerenergiegemeinschaften, geschlossene Verteilernetze oder kleine Verbundnetze. Laut EuGH sei nicht ersichtlich, dass im Streitfall einer dieser Ausnahmefälle einschlägig sei, was allerdings ausdrücklich nur vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht, also dem Bundesgerichtshof, vorzunehmenden Prüfung gelte.
B. Konsequenzen
Auch wenn die Folgen für die deutsche Energiewende erheblich sind, muss angesichts der klaren Worte des EuGH davon ausgegangen werden, dass mit diesem Urteil der Anfang vom Ende der Kundenanlage eingeläutet ist. Dieses Fazit kommt zur Unzeit, da der deutsche Gesetzgeber aktuell nahezu handlungsunfähig ist.
Aber selbst wenn er handlungsfähig wäre, ist fraglich, ob die Kundenanlage iSv. § 3 Nr. 24 a und b EnWG noch zu retten ist. Zwar bezieht sich das Urteil des EuGH vom 28.11.2024 zunächst nur auf eine Kundenanlage nach § 3 Nr. 24a EnWG; allerdings erschließt sich nicht, warum der EuGH in Bezug auf Anlagen nach § 3 Nr. 24b EnWG zu einer abweichenden Einschätzung kommen sollte.
In beiden Fällen kommt es nach unserer Einschätzung darauf an, ob die vom EuGH anerkannten Ausnahmen, nämlich die in der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie 2019/944 selbst anerkannten Sonderkonstellationen Bürgerenergiegemeinschaft, geschlossenes Verteilernetz oder kleines Verbundnetz, greifen oder nach richtlinienkonformer Ausgestaltung durch den deutschen Gesetzgeber jedenfalls künftig so ertüchtigt werden können, dass sie adäquaten Ersatz für die heutigen Kundenanlagen – möglichst befreit von regulatorischen Zwängen – bieten.
Aber auch unabhängig von einem gesetzgeberischen Tätigwerden werden Anlagen- und Netzbetreiber, aber auch im Rahmen von Kundenanlagenkonstellationen versorgte Letztverbraucher, die Konsequenzen dieser EuGH-Entscheidung, auch im Hinblick auf etwaige Rückwirkungen, ganz genau prüfen müssen. Die Wirtschaftlichkeit zahlreicher dezentraler Versorgungskonzepte ist akut gefährdet, weil Netzentgeltbefreiungen und Steuervergünstigungen untrennbar mit der Einstufung als Kundenanlage verbunden sind. Hinzu kommt, dass wenn der Betrieb einer Kundenanlage als Betrieb eines Verteilernetzes einzustufen ist, auch alle regulatorischen Vorgaben für den Verteilernetzbetrieb gelten. Insbesondere ist ein solcher Betrieb, auch in der Form eines geschlossenen Verteilernetzes nach § 110 EnWG, genehmigungspflichtig, und ein ohne entsprechende Genehmigung erfolgender (Netz-)Betrieb stellt eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar.
Die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 17. September 2024 (Az. EnZR 57/23 und EnZR 58/23 – Lieferantenausfall bei Mittelspannungskunden) betreffen Konstellationen, in denen aufgrund eines systembedingten Fehlers des Stromlieferanten die Marktlokationen mehrerer Letztverbraucher nicht dem Bilanzkreis des Lieferanten zugeordnet werden konnten. Stattdessen wurden die Marktlokationen vom (Anschluss-)Verteilnetzbetreiber dem Bilanzkreis des in seinem Netzgebiet tätigen Grund- und Ersatzversorgers zugewiesen. Grundlage dieser Zuordnung waren Regelungen in Preisblättern der jeweils zugrunde liegenden Anschlussnutzungsverträge.
Die so erfolgte Zuordnung hält der Bundesgerichtshof – gemessen am Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG – für sachlich nicht gerechtfertigt: Eine analoge Anwendung von § 38 EnWG auf die Mittelspannung komme nicht in Betracht. Weder könne von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden noch sei die Interessenlage mit den Grundgedanken des § 38 Abs. 1 Satz 1 EnWG vergleichbar.
Ein sachlicher Grund folge auch nicht aus dem Hinweis in den Preisblättern der jeweiligen Anschlussnutzungsverträge, wonach „bei der Grundversorgung/Ersatzbelieferung“ die „Belieferung des Kunden […] durch den zuständigen Grundversorger sichergestellt werde“. Durch diese Mitteilung komme weder ein Vertrag zwischen dem Letztverbraucher und dem Grund- und Ersatzversorger zustande noch sei darin ein Angebot des Letztverbrauchers an den zuständigen Grund- und Ersatzversorger auf Abschluss eines Ersatzbelieferungsvertrages zu sehen, das vom Netzbetreiber mit der Meldung der Marktlokation an den Grund- und Ersatzversorger übermittelt werde.
Ebenso wenig könne das Interesse an kurzfristiger Vermeidung einer Zuordnungs- und Versorgungslücke die Zuweisung an den Grund- und Ersatzversorger rechtfertigen. Auch dieses Interesse befreie nicht von der Prüfung, wer im Einzelfall voraussichtlich am besten in der Lage sei, die Versorgung der vertragslosen Letztverbraucher kurzfristig sicherzustellen. Grundsätzlich sei das nämlich derjenige mit dem die letzte vertragliche Lieferbeziehung bestanden habe:
- Dieser Lieferant wisse aufgrund des bestehenden Lieferverhältnisses regelmäßig, wer sein Schuldner sei. Er könne daher zivilrechtliche Ansprüche wegen rechtmäßiger oder unrechtmäßiger Stromentnahmen leichter durchsetzen.
- Für seine bilanzielle Verantwortlichkeit spreche ferner, dass die letzte rechtliche Lieferbeziehung während eines vertragslosen Zustands durch weitere Stromentnahmen faktisch nahtlos fortgeführt werde.
- Für die "Fortsetzung" des Lieferverhältnisses mit dem bisherigen Vertragspartner sei zudem zu berücksichtigen, dass er bereits über die Kundendaten verfüge, diese also nicht unter Ausschluss anderer Mitbewerber einem dritten Elektrizitätsversorgungsunternehmen offengelegt werden müssten.
Was diese Urteile für die Praxis bedeuten und in welchem Zusammenhang sie mit der durch § 38a EnWG-E vorgesehenen Einführung des Instituts der sog. Übergangsversorgung stehen, analysieren wir in unserem jüngsten Briefing, das wir bei Interesse gern zur Verfügung stellen.
Bundesnetzagentur kündigt Modifikation der Industrienetzentgelte im Elektrizitätsbereich an
In einem am 24.07.2024 veröffentlichten Eckpunktepapier hat die Bundesnetzagentur die Schaffung eines Sondernetzentgelts für Industriekunden angekündigt. Die Beschlusskammer 4 plant eine von § 19 Abs. 2 StromNEV abweichende Festlegung zur Setzung systemdienlicher Anreize, um dem durch die Energiewende ausgelösten Reformbedarf der bestehenden Sondernetzentgelte nachzukommen.
Ausgangslage und Hintergrund des Reformbedarfs
Bislang privilegieren zwei Formen der Sondernetzentgelte Industrie und Gewerbe. Zum einen besteht ein Anreiz zur atypischen Netznutzung, um einen Flexibilitätsanreiz zu schaffen. Dieser zielt darauf ab, die zeitgleiche Jahreshöchstlast der Netzentnahmen zu reduzieren. Zum anderen soll die Bandlast eine konstant gleichbleibende Grundlast stromintensiver Letztverbraucher bewirken, um das Netz zu stabilisieren und Netzbetreibern Planungssicherheit zu gewähren.
Die bestehenden Sondernetzentgelte erweisen sich allerdings als inkompatibel mit der durch die Energiewende veränderten Sachlage. Das durch die Bandlast geförderte konstante Abnahmeverhalten ist gesamtökonomisch nachteilhaft, denn mit dem Ausbau erneuerbarer Energien gehen eine volatilere Einspeisung sowie das Bedürfnis nach flexiblen Lasten einher. Reagieren große Stromverbraucher mithin dynamisch auf Strompreise, kann dies einer marktgetriebenen Abregelung der Erzeugung erneuerbarer Energien entgegenwirken und die Gesamtkosten des Energiesystems senken. Die Bandlastregelung soll auch langfristig nicht, wie übergangsweise durch eine Festlegung beschlossen, durch Ausnahmen zu Flexibilisierungszwecken aufrecht erhalten bleiben, sondern vollständig beseitigt werden.
Inhalt der neuen Sondernetzentgelte
Die auf der Ermächtigung in § 21 Abs. 3 S. 5 EnWG beruhende Neuregelung soll schon jetzt erfolgen, obwohl die Regelungen der StromNEV grundsätzlich bis zum 31.08.2028 in Kraft bleiben. Das neue Sondernetzentgelt soll über die Beseitigung der durch die Bandlastprivilegierung geschaffenen Hindernisse hinaus die positiven Effekte einer verstärkten Flexibilisierung auf das Netz und die Integration von erneuerbaren Energien in das Stromnetz steigern. Für die Marktintegration des Stroms aus erneuerbaren Energien und die Vermeidung einer Abregelung der Erzeugungsanlagen erneuerbarer Energien soll die nach den individuellen Maßstäben des Abnehmers erhöhte Abnahme in Zeiträumen besonders niedriger Preise sowie im umgekehrten Fall die Senkung bei besonders hohen Preisen privilegiert werden. Auch auf die Berücksichtigung der branchenabhängig unterschiedlichen Flexibilisierungsmöglichkeiten bei der Ausgestaltung des Anreizmechanismus wird hingewiesen.
Die Bandlastregelung soll zum 01.01.2026 auslaufen. Allerdings sollen Vereinbarungen über individuelle Netzentgelte nach § 19 Abs. 2 StromNEV nicht unmittelbar enden, sondern Letztverbrauchern eine Übergangsfrist zur Erarbeitung der Flexibilisierungspotenziale gewährt werden. Das neue Sondernetzentgelt soll im Hinblick auf die notwendigen Investitionen unbefristet gelten.
Des Weiteren wird eine administrierbare Ausgestaltung für Letztverbraucher, Netzbetreiber und die Regulierungsbehörden angestrebt. Auch regionale Ausnahmen in Gebieten, in denen der Netzausbau noch weniger ausgeprägt ist und die Gefahr von Engpässen aufgrund des Marktsignals besteht, sind vorgesehen. Zur Feststellung des Ausnahmebedarfs ist ein enger Austausch mit den Netzbetreibern beabsichtigt. Die Bundesnetzagentur wird es dabei aber nicht belassen und eine Prüfung der allgemeinen Netzentgeltsystematik auf einen Reformbedarf einleiten. Dies dürfte auch erforderlich sein, da die Energiewende und der Aufbau wesentlicher Netzinfrastruktur gegenwärtig noch deutliche Steigerungen der Netzentgelte erwarten lässt.
Bundesnetzagentur fordert die Branche zu Stellungnahmen auf
Um den Begünstigungstatbestand, der systemdienliches Verhalten anreizen soll, auszugestalten, bittet die Bundesnetzagentur bis zum 18.9.2024 um Stellungnahmen. Zum einen sollen diese sich darauf beziehen, welche Anpassungspotenziale beim Strombezug von Anlagen verschiedener Industrien gesehen werden und welchen Umfang sie mit Adaption der Produktionsprozesse an die Zweckrichtung der geplanten Regelung haben könnten. Zum anderen werden Informationen darüber benötigt, in welchem Umfang Unternehmen Prognosen über echte Reaktionen auf zu erwartende Preisschwankungen bereits vornehmen oder dies könnten.
Auch in diesem Jahr wurden zahlreiche LEITFELD-Partner in ihren jeweiligen Beratungsschwerpunkten von Best Lawyers in Kooperation mit dem Handelsblatt ausgezeichnet: Christoph Sieberg in den Kategorien Beste Anwälte für Energierecht und Regulierung, Dr. Thilo Richter in den Kategorien Beste Anwälte für Energierecht, Regulierung und öffentliches Wirtschaftsrecht, Matthias Schleifenbaum LL.M. in den Kategorien Beste Anwälte für Umweltrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Regulierung sowie Corporate Governance und Compliance, Stefan Tüngler in den Kategorien Beste Anwälte für Energierecht und Regulierung, Margret Schellberg in der Kategorie Beste Anwälte für Energierecht und Konrad Riemer in den Kategorien Ones to watch für Kartell- und Wettbewerbsrecht und Regulierung. Zum Ranking gelangen Sie hier (externer Link): https://www.handelsblatt.com/unternehmen/dienstleister/handelsblatt-best-lawyers-das-sind-die-besten-anwaelte-deutschlands-2024/100043284.html