Koalitionsvertrag: Eckpunkte für die kommende Energie- und Klimaschutzpolitik

April 2025
Dr. Margret Schellberg
Koalitionsvertrag: Eckpunkte für die kommende Energie- und Klimaschutzpolitik

Union und SPD haben sich am 9. April 2025 auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Das Papier legt für die kommende Legislaturperiode zentrale Eckpunkte für die Energie- und Klimapolitik der schwarz-roten Koalition fest. Ein erster Überblick über die Themenfelder soll als Einordnung dienen; nach und nach werden wir für Sie die einzelnen Themenkomplexe beleuchten:

Energiepreise

Die Regierungsparteien einigen sich auf das aus den Sondierungsgesprächen bekannte Maßnahmenpaket. Die Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mittelmaß soll durch eine Sofortmaßnahme erfolgen und sämtliche Umlagen und Netzentgelte sollen für Unternehmen und Verbraucher dauerhaft gedeckelt werden, um eine Entlastung von mindestens fünf Cent pro kWh zu gewährleisten.

Energieintensive Unternehmen sollen außerdem von der Einführung eines bisher nicht näher konkretisierten Industriestrompreises profitieren. Die Gasspeicherumlage soll vollständig abgeschafft werden; die Befüllung der Speicher soll anders gesichert werden.

Netzausbau

Die Parteien betonen die Relevanz eines effizienten Netzausbaus in Abstimmung mit dem Erneuerbaren-Energien-Ausbau sowie den Smart-Meter Rollout. Übertragungs- und Verteilernetze sollen gestärkt und Effizienzpotenziale sollen u.a. durch die Digitalisierung der Netze gehoben werden. Einen konkreten Zeitplan enthält der Koalitionsvertrag aber noch nicht.

Deutschland besteht aktuell aus einer einheitlichen Stromgebotszone. Während ein Großteil des Stroms im Norden des Landes erzeugt wird, ist der Verbrauch bei Industrie im Süden besonders hoch. Zur Bedarfsdeckung kommen bei Netzengpässen zwischen Nord- und Süddeutschland oft teure Gaskraftwerke zum Einsatz. Die dabei entstehenden Redispatch-Kosten in Milliardenhöhe werden insbesondere auf Verbraucher umgelegt. Diskutiert wurde deshalb eine Teilung des Landes in zwei Stromgebotszonen. Jetzt haben sich die Parteien vorerst darauf geeinigt, dass an einer einheitlichen Zone festgehalten werden soll.  

Die Union setzt sich außerdem bei neu zu planenden Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsnetzen (HGÜ) durch. Diese sollen nicht als Erdkabel, sondern als Freileitungen umgesetzt werden.

Der in den Verhandlungen bis zuletzt offene Punkt der Gasnetzstilllegung wird nicht im Detail angesprochen. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass lediglich die für eine sichere Wärmeversorgung notwendigen Gasnetze erhalten bleiben sollen.

Erneuerbare Energien und Speicherausbau

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien wird fortgesetzt. Solarenergie, Windkraft und Bioenergie sollen systemdienlich ausgebaut werden. Solarenergieanlagen sollen verstärkt mit Speichern gekoppelt und Doppel- und Mehrfachnutzungen, wie etwa Agri-Photovoltaik oder Anlagen auf Parkplätzen, gefördert werden. Bei Windkraft sollen Zwischenziele bis 2027 gehalten und Flächenziele bis 2032 evaluiert werden. Besonderes Augenmerk liegt auf der Synchronisierung mit dem Netzausbau und der kommunalen Akzeptanz. Die Bioenergie soll ihr Flexibilitätspotenzial ausschöpfen, insbesondere bei der Nutzung von Reststoffen. Erneuerbare Energien sollen sich dabei perspektivisch vollständig am Markt refinanzieren lassen, weshalb der Vertrag sich für die Schaffung eines gesicherten Investitionsrahmens bei zugleich verstärkter Einbindung marktwirtschaftlicher Instrumente ausspricht.

Der Koalitionsvertrag spricht sich zudem für eine Flexibilisierung des Strommarkts durch den Speicherausbau aus. Der Speicherausbau soll systemdienlich ausgestaltet werden und es sollen Rechenzentren, Speicher sowie große Erzeuger erneuerbarer Energien netzdienlich angesiedelt werden.

GEG und kommunale Wärmeplanung

Das Heizungsgesetz bzw. das GEG soll laut dem Koalitionsvertrag abgeschafft werden. Das neue Gebäudeenergiegesetz soll technologieoffener, flexibler und einfacher werden. Die erreichbare CO2-Vermeidung soll die Steuerungsgröße werden.

Die Parteien wollen außerdem die Verzahnung von GEG und kommunaler Wärmeplanung vereinfachen. Hierzu möchten sie Spielräume bei der Umsetzung der europäischen Gebäuderichtlinie ausschöpfen. Die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) soll gesetzlich geregelt und aufgestockt werden. Die AVB-Fernwärme-Verordnung und die Wärmelieferverordnung sollen zügig überarbeitet und modernisiert werden. Es soll für den Bereich Wärme zudem eine unbürokratische Schlichtungsstelle eingerichtet werden.

Wasserstoff

Der Aufbau einer nationalen Wasserstoffwirtschaft soll schnellstmöglich vorangetrieben werden. Die Regierung plant, Wasserstoff dezentral und systemdienlich zu produzieren und den Ausbau von Importinfrastrukturen konsequent voranzutreiben. Überregulierung soll abgebaut und die Finanzierung von Wasserstoffnetzen gesichert werden, um Deutschland eine führende Rolle innerhalb einer europäischen Wasserstoffinitiative zu sichern. Der Ausbau der Wasserstoffkernnetze soll dabei auch im bei der bisherigen Planung weniger berücksichtigten Osten und Süden Deutschlands vorangetrieben werden.

Kernenergie und Kohle

Die künftige Regierung hält am geplanten Kohleausstieg bis 2038 fest. Die von der Union in den Sondierungsgesprächen erwogene Prüfung, ob eine Wiederaufnahme des Betriebs der abgeschalteten Kernkraftwerke technisch und finanziell vertretbar ist, findet sich im Koalitionsvertrag nicht wieder. Den Zeitplan für den Kohleausstieg sieht der Koalitionsvertrag in Abhängigkeit von der Ausbaugeschwindigkeit steuerbarer Gaskraftwerke.

Kraftwerksstrategie

Bis 2030 sollen bis zu 20 GW neue Gaskraftwerke gebaut werden. Diese Kraftwerke sollen nicht nur Versorgungssicherheit gewährleisten, sondern auch Stromkosten reduzieren und verstärkt bestehende Kraftwerksstandorte nutzen. Dabei sollen die Gaskraftwerke regional nach Bedarfen gesteuert werden. Zudem soll nach dem Willen von Union und SPD ein Technologiemix aus Kraftwerken, Erzeugungsanlagen (Bioenergie und KWK-Anlagen) und Speichern entstehen, um für ausreichend flexible Energiekapazitäten zu sorgen.

Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung

Die Parteien erkennen die Relevanz schnellerer Genehmigungsverfahren für die Energiewende. Hierzu zählen neben der Fortführung des Bund-Länder-Prozesses zur Planungs-, Umsetzungs-, und Genehmigungsbeschleunigung eine zügige Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie III, Vereinfachungen bei Artenschutzprüfungen und die verstärkte Nutzung von sog. Expertenpools.

Ausblick

Der Koalitionsvertrag adressiert alle wichtigen Themenfelder und sieht zahlreiche Maßnahmen vor. Es liegt in dem Ressort Energie viel Arbeit vor der neuen Regierung. Wie sehr die angekündigten Maßnahmen wirken werden, hängt stark von der konkreten Ausgestaltung der Gesetze in den kommenden Monaten ab. Vorerst laufen noch die finalen Abstimmungen zur Regierungsbildung.