BNetzA: Modifikation der Industrienetzentgelte
Bundesnetzagentur kündigt Modifikation der Industrienetzentgelte im Elektrizitätsbereich an
In einem am 24.07.2024 veröffentlichten Eckpunktepapier hat die Bundesnetzagentur die Schaffung eines Sondernetzentgelts für Industriekunden angekündigt. Die Beschlusskammer 4 plant eine von § 19 Abs. 2 StromNEV abweichende Festlegung zur Setzung systemdienlicher Anreize, um dem durch die Energiewende ausgelösten Reformbedarf der bestehenden Sondernetzentgelte nachzukommen.
Ausgangslage und Hintergrund des Reformbedarfs
Bislang privilegieren zwei Formen der Sondernetzentgelte Industrie und Gewerbe. Zum einen besteht ein Anreiz zur atypischen Netznutzung, um einen Flexibilitätsanreiz zu schaffen. Dieser zielt darauf ab, die zeitgleiche Jahreshöchstlast der Netzentnahmen zu reduzieren. Zum anderen soll die Bandlast eine konstant gleichbleibende Grundlast stromintensiver Letztverbraucher bewirken, um das Netz zu stabilisieren und Netzbetreibern Planungssicherheit zu gewähren.
Die bestehenden Sondernetzentgelte erweisen sich allerdings als inkompatibel mit der durch die Energiewende veränderten Sachlage. Das durch die Bandlast geförderte konstante Abnahmeverhalten ist gesamtökonomisch nachteilhaft, denn mit dem Ausbau erneuerbarer Energien gehen eine volatilere Einspeisung sowie das Bedürfnis nach flexiblen Lasten einher. Reagieren große Stromverbraucher mithin dynamisch auf Strompreise, kann dies einer marktgetriebenen Abregelung der Erzeugung erneuerbarer Energien entgegenwirken und die Gesamtkosten des Energiesystems senken. Die Bandlastregelung soll auch langfristig nicht, wie übergangsweise durch eine Festlegung beschlossen, durch Ausnahmen zu Flexibilisierungszwecken aufrecht erhalten bleiben, sondern vollständig beseitigt werden.
Inhalt der neuen Sondernetzentgelte
Die auf der Ermächtigung in § 21 Abs. 3 S. 5 EnWG beruhende Neuregelung soll schon jetzt erfolgen, obwohl die Regelungen der StromNEV grundsätzlich bis zum 31.08.2028 in Kraft bleiben. Das neue Sondernetzentgelt soll über die Beseitigung der durch die Bandlastprivilegierung geschaffenen Hindernisse hinaus die positiven Effekte einer verstärkten Flexibilisierung auf das Netz und die Integration von erneuerbaren Energien in das Stromnetz steigern. Für die Marktintegration des Stroms aus erneuerbaren Energien und die Vermeidung einer Abregelung der Erzeugungsanlagen erneuerbarer Energien soll die nach den individuellen Maßstäben des Abnehmers erhöhte Abnahme in Zeiträumen besonders niedriger Preise sowie im umgekehrten Fall die Senkung bei besonders hohen Preisen privilegiert werden. Auch auf die Berücksichtigung der branchenabhängig unterschiedlichen Flexibilisierungsmöglichkeiten bei der Ausgestaltung des Anreizmechanismus wird hingewiesen.
Die Bandlastregelung soll zum 01.01.2026 auslaufen. Allerdings sollen Vereinbarungen über individuelle Netzentgelte nach § 19 Abs. 2 StromNEV nicht unmittelbar enden, sondern Letztverbrauchern eine Übergangsfrist zur Erarbeitung der Flexibilisierungspotenziale gewährt werden. Das neue Sondernetzentgelt soll im Hinblick auf die notwendigen Investitionen unbefristet gelten.
Des Weiteren wird eine administrierbare Ausgestaltung für Letztverbraucher, Netzbetreiber und die Regulierungsbehörden angestrebt. Auch regionale Ausnahmen in Gebieten, in denen der Netzausbau noch weniger ausgeprägt ist und die Gefahr von Engpässen aufgrund des Marktsignals besteht, sind vorgesehen. Zur Feststellung des Ausnahmebedarfs ist ein enger Austausch mit den Netzbetreibern beabsichtigt. Die Bundesnetzagentur wird es dabei aber nicht belassen und eine Prüfung der allgemeinen Netzentgeltsystematik auf einen Reformbedarf einleiten. Dies dürfte auch erforderlich sein, da die Energiewende und der Aufbau wesentlicher Netzinfrastruktur gegenwärtig noch deutliche Steigerungen der Netzentgelte erwarten lässt.
Bundesnetzagentur fordert die Branche zu Stellungnahmen auf
Um den Begünstigungstatbestand, der systemdienliches Verhalten anreizen soll, auszugestalten, bittet die Bundesnetzagentur bis zum 18.9.2024 um Stellungnahmen. Zum einen sollen diese sich darauf beziehen, welche Anpassungspotenziale beim Strombezug von Anlagen verschiedener Industrien gesehen werden und welchen Umfang sie mit Adaption der Produktionsprozesse an die Zweckrichtung der geplanten Regelung haben könnten. Zum anderen werden Informationen darüber benötigt, in welchem Umfang Unternehmen Prognosen über echte Reaktionen auf zu erwartende Preisschwankungen bereits vornehmen oder dies könnten.